ES IST KEIN ZUFALL, dass Ulrike Haage den Himmelsbaum zum Leitmotiv und Titel ihres neuen Solo-Albums gemacht hat: Der ursprünglich in China und Vietnam beheimatete Himmelsbaum ist eine P_¼é anze mit einer reich verzweigten, runden Krone. Seine Art besticht durch ihr schnelles Wachstum und ihre Vielfalt. Und er strahlt Kraft und Ruhe aus. Eigenschaften also, mit denen man auch Ulrike Haages Musikalität beschreiben könnte. In der deutschen Musiklandschaft ist die in Kassel geborene, im Ruhrgebiet aufgewachsene und an der Hamburger Musikhochschule ausgebildete Pianistin, Komponistin und Klangkünstlerin Ulrike Haage eine besonders eigenständige Persönlichkeit - eine Reisende und Forscherin, die tiefer gräbt als branchenüblich. Schon sehr früh in ihrer Karriere, als sie zu den Gründerinnen der europaweit geachteten Frauen-Bigband Reichlich Weiblich zählte und sich im engeren Umfeld des Jazz bewegte, war ihr Spiel anders, analytischer als das von anderen. Später lotete sie als Keyboarderin bei den Rainbirds Klangwelten aus, die die Selbstverständlichkeiten des Pop sprengten und begab sich zunehmend in die Grenzbereiche von Text und Musik, schrieb H örspiele und Filmmusiken. Als sie 2003 mit dem Albert- Mangelsdorff-Preis geehrt wurde, der renommiertesten Auszeichnung im deutschen Jazz, hatte sie ihren Weg zwischen den Stilen bereits gefunden: Eine rastlos Reisende, die die Eindrücke, die sie aus der Welt mitnimmt, in eine reduktive Musik übersetzt, die Konzentration fassbar macht. Auch in den neun Stücken, die Ulrike Haage auf ihrem Album Himmelsbaum präsentiert, regiert wieder der Geist von Reduktion und Konzentration. Ganz ruhig, mit entspanntem, unaufgeregtem Anschlag am Flügel stellt sie ihre Musik vor, gibt ihr Ruhe und Raum, damit sie ihren melodischen Zauber in einfachen Motiven entfalten kann. Ohne die Musik zu beladen, ohne die Wucht des tiefen Registers zu strapazieren oder die klirrende Schärfe des hohen, bleibt sie in der Ausgestaltung ihrer Kompositionen immer nah an der Melodie, verzichtet auf allen musikalischen Zierrat, auf ausschmückende Girlanden, virtuose Arabesken oder aufgesetzte Emotionen. Auf Himmelsbaum präsentiert sich eine ökologische Ästhetik des Klanges, eine Musik des Notwendigen und der Transparenz, in der alles, was gespielt wird, so wichtig ist, dass es auch zum Tragen kommt.